fbpx
Das Dorf Suren Gede schmiegt sich mit seiner Moschee in die Terrassenfelder des Dieng-Plateaus

Das Dorf Suren Gede schmiegt sich mit seiner Moschee in die Terrassenfelder des Dieng-Plateaus

Reisebericht Indonesien Quer über die Insel Java von Jakarta bis Yogjakarta

Java ist die bevölkerungsreichste Insel Indonesiens und ein Paradies traditioneller Kultur. Wer über das Tempeldach des gigantischen Borobudur spaziert, zum Sonnenaufgang am Vulkan Bromo steht oder in Yogyakartas Sultanspalast ein Schwätzchen mit den Dienern hält, wird viel erfahren über das ganze Land.

Agung Prastiyo sitzt auf einer Bank vor seinem gelb getünchten Haus. Der Chef des ostjavanischen Tenggerdorfes Tlogosari trägt einen schwarzen Anzug und ein buntes Kopftuch, den traditionellen Udeng. Um seine Schultern ist ein Sarong, ein farbenprächtiges Wickeltuch, geschlungen. Der 34- Jährige blickt auf die Bergwelt des Nationalparks Bromo-Tengger-Semeru und auf den berühmtesten Vulkan Indonesiens, den Gunung Bromo, der sich am frühen Morgen mystisch durch einen Wolkenschleier schiebt. »Heute gibt es viel zu tun. Ich muss mich um die Formalitäten einer Hochzeit kümmern, für einen Dorfbewohner einen neuen Pass beantragen und eine Familie beraten, die in unseren Ort ziehen will«, sagt Prastiyo. Rund 800 Tengger aus 200 Familien zählt seine muslimische Gemeinde.

Die Tengger leben seit acht Jahrhunderten auf Java, der Großteil als Hindu-Buddhisten rund um den aktiven Vulkan Bromo. Obwohl sie als Nachfahren des Majapahit-Königreichs gelten, das Ostjava bis zum 15. Jh. regierte, sind sie im Vielvölkerstaat Indonesien kaum bekannt. »Weil wir weder Politiker noch bekannte Schauspieler oder erfolgreiche Sportler hervorgebracht haben«, erklärt Prastiyo. Dabei zählt die javanische Ethnie mehr als eine halbe Million Menschen und folgt uralten Traditionen: Man spricht mit Tenggerisch eine eigene Sprache, verehrt den Bromo als heilige Stätte und glaubt an einen Berggott, der ? so die Legende ? dem namensgebenden Königspaar Roro Ateng und Joko Seger nur unter der Prämisse Nachwuchs gewährte, dass es sein 25. Kind dem Bromo opfert. Dem Gott zu Ehren werfen die Tengger noch heute einmal im Jahr Opfergaben in den Krater. Lebendige Hühner, Ziegen und frisches Gemüse von ihren Feldern.

Landkarte Java

Sonnenaufgang auf dem Vulkan in 2.800 Metern Höhe

Auf der nahen Aussichtsplattform Panajakan 1 in 2.770 Metern Höhe haben sich inzwischen Dutzende Naturliebhaber versammelt. Es ist kalt. Wer eine Kapuze hat, stülpt sie über den Kopf. Wer heißen Tee mitgebracht hat, nimmt einen Schluck. Schon morgens um vier Uhr quetschen sie sich mit ihren Jeeps die schmale Bergstraße empor, wandern die restlichen Kilometer strammen Schrittes, um den besten Vogelperspektiven- Blick auf ein Naturschauspiel besonderer Güte zu erhaschen. Eine Sonne, die sich langsam wie ein Feuerball erhebt, wabernder Morgendunst über dem Bromo und ein gewaltiger Vulkan Semeru, der Rauchschwaden in den blauen Himmel speit. Manche werfen anschließend Sträuße des seltenen Java-Edelweiß vom Kraterrand in den Bromoschlund, damit Wünsche in Erfüllung gehen.

Gigantische Tempel von Hindus und Buddhisten

Götterverehrung ist auch in Zentraljava üblich. In Prambanan, dem größten hinduistischen Tempelkomplex des Landes, sind die Haupttempel dem Schöpfer Brahma, dem Bewahrer Vishnu und dem Zerstörer Shiva gewidmet. Sie thronen inmitten von 224 parallel angeordneten Schreinen. Erdbeben und Ausbrüche des Vulkans Merapi haben die Anlage aus dem 9. Jh. und ihre späteren Rekonstruktionen regelmäßig zerstört. Doch die Javaner geben nicht auf. Seit drei Jahren ist das UNESCO-Weltkulturerbe wieder geöffnet, auch wenn die Lokalregierung darüber nachdenkt, den Touristen den Zugang nur noch mit Helmen zu gestatten. Die Tempelwächter Wayan, Bashori und Pariyun können darüber nur schmunzeln. Schließlich schwitzen die Besucher schon genug, wenn sie die steilen Stufen zur Shiva-Statue und dem Relief erklimmen, das König Ramas Leben darstellt.

Nur einen Katzensprung entfernt, in Borobudur, dem ehemals geistlichen Zentrum des Buddhismus auf Java, beschreiben mehr als 1.400 Reliefs Buddhas Leben. Drei Kilometer würden die kunstvollen Steinarbeiten auf dem gigantischen Tempel messen, wären sie aneinander gereiht. Nur diejenigen im Sockel sind verhüllt - die gläubigen Javaner wollen die Sexdarstellungen vor Kindern verbergen. Warum die wundervolle Anlage einst verlassen wurde, weiß niemand so genau. Als der Forscher Thomas Stamford Raffles sie während der kurzen britischen Kolonialzeit vor rund 200 Jahren entdeckte, staunte er nicht schlecht. Ein Teil eines Schreins ragte aus dem Erdboden. Sofort ließ er den Dschungelbewuchs entfernen und den gesamten Tempel ausgraben. Doch das Interesse währte nicht lang, auch weil holländische Besatzer Java übernahmen. Mitte des 20. Jh. wurde das Kulturgut schließlich generalüberholt, Stein für Stein abgetragen und in 15-jähriger Bauzeit wieder zusammengesetzt. Heute spazieren indonesische Familien auf dem Tempeldach zwischen 73 mehrere Meter hohen Stupas umher, beten vor mannshohen Buddhafiguren, umarmen die Mauern und genießen die Aussicht auf die grüne Dschungellandschaft, die sich gen Norden erstreckt.

Muslimische Dörfer am See Telaga Warna

In die nördlichen Dschungelgebiete gelangt man über eine einspurige Serpentinenstraße, vorbei an Feldern mit Kohl, Kartoffeln oder Chili. Die Bauern schützen sich mit dem Caping, einem traditionellen Bambushut, vor der Sonne. Manchmal steht ein Warung, ein kleiner Kiosk, oder eine Mopedwerkstatt am Straßenrand. An den Terrassenhängen im Dieng-Plateau klebt das ein oder andere Dorf, die Häuschen mit rotem Ziegel gedeckt, Brennholzstapel davor. Im Dorfzentrum jeweils eine prächtige Moschee. Als Farbwunder präsentiert sich der See Telaga Warna am Fuße des Berges Batu Pandang. Von Türkis über Blau bis Orange wechselt er seine Farbe mit dem Licht. Aus den Dörfern um Magelang, wo tagsüber Bauern ihre Ernte in Körben vom Feld schleppen und Schulmädchen in roter Uniform durch den Dschungel spazieren, erklingt im Fastenmonat Ramadan ein ganz besonderer Sound. Tiefe Männertöne aus Losari mischen sich mit lieblichen Frauenstimmen aus Podang. Drei Stunden lang. Jeden Abend. Ein toller Mix, der sich wie orientalische Loungemusik anhört, wenn die Dorfbewohner gleichzeitig aus dem Koran lesen.

REISE & PREISE Hefte bestellen - versandkostenfrei!

Javanische Batikstoffe aus Yogyakarta

Das Tor in den Norden ist die Provinzhauptstadt Yogyakarta. Mehr als 300 Werkstätten stellen in Indonesiens Batik-Zentrum die edlen Stoffe her. Eine davon ist die Raradjonggrang Batik Factory. »Seit 44 Jahren zeichne ich mit einem Bleistift typisch javanische Motive auf Baumwollstoffe und Seide«, sagt Maler Surti Asmara. Seine Kollegen ziehen die Linien und Punkte anschließend mit dem Canting, einem Wachsmalgerät aus Holz und Kupfer, nach. Das Tuch wird in Farbe getaucht, Stellen mit weiterem Wachs abgedeckt, wieder getaucht. »Wenn am Ende alle Farben auf dem Stoff sind, entfernen wir das Wachs in kochend heißem Wasser. Mindestens zwei Monate dauert so die Herstellung eines traditionellen Batiktuchs«, ergänzt der 64-jährige Asmara. Ein krisensicherer Job, denn die Regierung versucht, ihre tausendjährige Batikkultur zu erhalten und hält deshalb die Bevölkerung auf den Inseln an, am Freitag Batikkleidung zu tragen. Im Büro, in der Schule, in der Freizeit. Und die Indonesier halten sich daran.

Javaner werden auf andere Inseln umgesiedelt

Überhaupt nimmt die Regierung gern Einfluss auf das Leben ihres Volkes. Seit vielen Jahren siedelt man ? gefördert durch die Weltbank ? Familien vom fortschrittlichen, fruchtbaren Java auf dünner besiedelte, kargere Inseln um. Das bevölkerungsreichste Eiland der Republik, auf dem mehr als 50 Prozent aller Indonesier leben, soll damit entlastet und die Außeninseln besser eingebunden werden. Umsiedlungswillige erhalten im Rahmen des Transmigrationsprojekts Ackerland, ein Haus und finanzielle Unterstützung im ersten Jahr. Gerade erst hat Präsident Joko Widodo Gelder für weitere 600.000 Hektar Land auf Süd-Borneo in Aussicht gestellt. Kritiker bemängeln, dass für die Siedlungsflächen der letzte noch vorhandene Urwald gerodet wird, das Geld durch Korruption in den falschen Händen landet und Umsiedler keinen Eigentumsnachweis erhalten, den sie für eine Kreditaufnahme bräuchten. Auch zwischen der ansässigen Bevölkerung und Umsiedlern klappt es nicht immer. Erst vor ein paar Jahren gab es auf Borneo heftige Unruhen, bei denen sogar Menschen zu Tode kamen. Doch die Regierung gibt sich optimistisch und kündigt Investitionen in Höhe von 4,5 Milliarden US-Dollar für den Bau sanitärer Einrichtungen, Straßen und Brücken an, um den Lebensstandard in den selbst verwalteten ländlichen Gebieten zu heben. Schließlich steht Indonesien bislang im Global-Health-Ranking der Ungleichverteilung der Credit Suisse nach Russland, Indien und Thailand auf Platz vier.

In der Landeshauptstadt Jakarta, dem Mittelpunkt für Politik, Wirtschaft und Kultur, nimmt die Bevölkerung ihr Schicksal längst selbst in die Hand. Fast wöchentlich demonstriert sie friedlich gegen die Regierung. Mal sind es Studenten, weil die Studiengebühren erhöht wurden, mal Arbeitgeber wegen eines Anstiegs des Mindestlohns. Die Touristen bekommen von alldem kaum etwas mit, wenn sie über den Fatahillah- Platz radeln, an dem die holländische Kirche und das Gouverneurshaus Kolonialflair stiften, und wenn sie die Istiqial-Moschee, die 100.000 Gläubigen Platz bietet, die gewaltigen Handelsschiffe im alten Hafen Sunda Kelapa und das Nationalmonument am Freiheitsplatz bestaunen, das wie ein Stab 137 Meter in den Himmel ragt.

Im Kraton, dem Sultanspalast von Yogyakarta, fröhnt man derweil weiter dem Batikkult. Sultan Hamengkubuwono X, der gleichzeitig als Gouverneur an der Regierung beteiligt ist, beschäftigt rund 100 Diener auf seinem Gelände. Die klassische javanische Hofarchitektur besteht aus Wohnhäusern, einer Moschee und Museumsgebäuden. Jeder der Bediensteten trägt Batik-Udeng, Batik-Sarong und einen Kris, den traditionellen Dolch. Den allerdings versteckt auf dem Rücken, das sieht freundlicher aus. »Jeder Diener muss eine dreijährige Lehre durchlaufen. Nur wenn der Vater hier schon gearbeitet hat, wird man direkt angestellt«, sagt der 46-jährige Purakso Prandto, der mit richtigem Namen Herr Suparno heißt. Sein Kollege Atmo Mantarjo, alias Herr Sugiman, ergänzt: »Wir verdienen zwar nur einen Bruchteil des Yogyakarta-Mindestlohns, bekommen dafür aber zwei Felder für die Landwirtschaft und ein Hausgrundstück geschenkt.« Das ist auch nötig, denn selbst vom monatlichen Mindestlohn, 1,5- Millionen-Rupiah ? etwa 90 Euro ? kann auch auf Java kaum eine Familie leben. Doch die Diener des Sultans verrichten ihre Arbeit mit Stolz.

 Unsere Autorin empfiehlt  KARIMUNJAWA

Entschleunigung im Inselarchipel

27 Inseln, davon fünf bewohnte mit unwirtlichen Namen wie Schweiß (Parang) und Moskito (Nyamuk), bilden den Karimunjawa-Archipel. Als Teil des knapp 112.000 Hektar großen Meeresnationalparks liegt er rund 90 km nördlich vor Zentraljavas Küste. Ein Traum einer tropischen Inselwelt! Weiße Puderzuckerstrände, mehr als 170 Korallen-Spezies und über 400 Fischarten, darunter Stachelrochen, Kugel- und Clownfisch, locken zum Schnorcheln und Entspannen.

In Karimun Village auf der Hauptinsel geht das gemütliche Fischerleben noch seinen Gang. Männer spannen ihre Netze, Frauen hängen Wäsche auf. Einen tollen Blick auf den Ort gibt es vom 200 Meter hohen Joko Tuo Hill.

Am schönsten entspannt es sich auf Menyawakan Island. Die 22-Hektar-Insel ist zu drei Vierteln mit Kokospalmen bestanden und zum Teil noch immer Eigentum der Einheimischen. Direkt am weißen Puderzuckerstrand bietet das »Kurakura Resort« tolle Strandbungalows, Villen mit Privatpool, Restaurant und Pool (0062- 823-25196747, www.kurakuraresort.com, Bung. EZ/DZ ab US$ 210/345 HP). Angeboten werden auch Touren, der Flugtransfer ab Semarang kostet ab US$ 210 oneway (40 Min), der Schnellboot-Transfer ab US$ 35 oneway.

Autorin: Martina Katz (1/2018)