Gerade noch schien es, als würde dies wieder so eine herrlich ereignislose Mittagspause: müde vom Stickstoff abhängen im Palmenschatten. Unvermittelt aber springt Jochen Schultheis auf, rennt über den Strand zum Steg und brettert mit dem Motorboot gen Horizont. Irgendetwas ist da draußen.
Nach einer halben Stunde ist Jochen wieder da. Er und seine Mitarbeiter hieven meterlange Gartenschläuche mit Lungenautomaten auf den Steg. Dazu Plastikflaschen und Kanister, beschwert mit Steinen und gefüllt mit weißem Granulat: die Ausrüstung von Dynamitfischern, die mit Sprengsätzen Fische töten. Tag und Nacht müsse man auf der Hut sein, sagt er. »Sonst ist das Riff hier bald auch kaputt.«
Kaputtes Riff? Wer nur ein bis zwei Wochen in Jochen Schultheis' Tauchresort im Herzen der indonesischen Inselwelt verbringt, kann das nur schwer glauben. Die Tauchplätze genügen höchsten Ansprüchen. Das dem Resort vorgelagerte Korallenriff bietet eine große Artenvielfalt. Denn die Insel Selajar liegt im sogenannten Korallendreieck.
Dieses Gebiet, das grob betrachtet die Philippinen, Papua-Neuguinea und die östlichen Inseln Indonesiens umfasst, ist eine meeresbiologische Schatzkammer. Bei jeder globalen Bioinventur liegen die Riffe des Korallendreiecks in puncto Vielfalt vorne.
Der Tauchurlaub wäre perfekt, könnte man hier – wenigstens hier – die Bedrohung der Weltmeere ignorieren. Doch die Zeichen des Niedergangs sind unübersehbar: Nicht nur die Fischer setzen dem Riff zu. Zivilisationsmüll kommt nachts mit den Wellen. Die Chipstüten und Plastikflaschen werden jeden Morgen vom Strand geharkt, damit sie die Urlaubsidylle nicht stören.
Dass das Saumriff vor der Südostküste Selajars überhaupt noch in so einem guten Zustand ist, ist auch Jochen Schultheis zu verdanken. Der Tauchlehrer aus Franken kam vor mehr als 20 Jahren eher zufällig vorbei. Eigentlich wollte er eine Tauchbasis im rund 60 Kilometer südöstlich von Selajar gelegenen Meeresnationalpark Taka Bonerate aufmachen. Doch das Tauchen dort habe ihn enttäuscht, sagt er. »Auf dem Rückweg nach Sulawesi haben wir hier geankert – und einfach mal einen Tauchgang gemacht.«
Seit der Jahrtausendwende betreibt Schultheis sein Selayar Dive Resort. Das Riff, genauer: ein Küstenabschnitt von etwa sieben Kilometer Länge, wurde damals auf sein Drängen hin per Gesetz geschützt. Fischen ist verboten. Aber was heißt das schon in Indonesien? Die Armut ist groß auf abgelegenen Inseln wie Selajar. Solange zahlungskräftige Taucher kommen, wird das Konzept wohl funktionieren.
»Heute Mittag tauchen wir an der Grenze des Schutzgebietes«, sagt Jochen, während das Motorboot vom Steg ablegt. Dann legt er den Hebel um. Nach fünf Minuten Gleiten ist der Tauchplatz erreicht. Von oben ist kein Unterschied zu sehen. Die Szenerie unter Wasser ist deprimierend. Das Riff hat seine Farben verloren. Es gleicht einer Halde. Abgebrochene, kalkweiße Korallenstücke bedecken den Boden.
Zwischen dem Schutt schwimmen vereinzelt kleine Fische. Interessanter wird es erst wieder im Schutzgebiet: Eine Seeschlange stellt Riffbarschen nach. Unter einem Überhang döst eine Schildkröte. Dann rummst es dumpf. Dann noch mal. Schall breitet sich unter Wasser viel besser aus als in der Luft. Die Explosionen sind weit entfernt. Noch.
Reiseziel: Eine Reise zum Selayar Dive Resort ist eine Abenteuerreise in ein entlegenes Gebiet. Das Resort ist nur per Boot erreichbar. Die Insel Selajar liegt südlich von Sulawesi.
Anreise: Zielflughafen ist Makassar im Süden der Insel Sulawesi. Von dort geht es in rund fünf Stunden mit dem Minibus bis zum Hafen Bira und dann weiter mit dem offenen Motorboot in etwa 2,5 Stunden bis zum Resort. Der feste An- und Abreisetag des Resorts ist immer der Freitag. Bei einer direkten Anreise aus Deutschland muss mit Reisezeiten von 40 Stunden gerechnet werden.
Reisezeit: Das Resort schließt wegen des Monsuns jährlich von Mai bis Mitte Oktober.
Tauchen: Jeder Gast sollte eine komplette Tauchausrüstung mitbringen.
Informationen: Visit Indonesia Tourism Office, Hanauer Landstraße 184, 60314 Frankfurt/Main, Tel. 069-175371038.
(28.03.2017, dpa)