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Neugierige Belugas umlagern ein Schlauchboot mit Touristen

Neugierige Belugas umlagern ein Schlauchboot mit Touristen

Reise nach Kanada Abenteuerurlaub in Manitoba und Saskatchewan

Manitoba und Saskatchewan sind die einsamen Prärie - provinzen Kanadas: 100.000 Seen, endlose Wälder und weite Prärien. Hier kann man in die Kultur der First Nations eintauchen und das Revier von Elchen, Bibern, Eisbären und Beluga-Walen erkunden.

Die Stille ist überwältigend. Kein Windhauch kräuselt die Wasseroberfläche in der Hudson Bay, selbst die Paddler scheinen den Atem anzuhalten. Nebelschwaden hängen in der Luft, nur hin und wieder öffnet sich ein Vorhang, dann leuchten die roten und gelben Kajaks der Gruppe auf – oder die Hafenanlagen von Churchill in der Ferne.

Plötzlich ein lautes Schnaufen! Weit hallt der Ton übers Wasser, dann wieder Stille. Schließlich folgt ein Prusten von rechts, näher als das erste. Die Köpfe der Paddler zucken in die Richtung – doch es ist nichts zu sehen. Aus dem Dunst kommt ein spitzer Schrei: »Sie sind hinter mir!«, ruft eine Frau. Die Belugas sind da! Gänsehaut bei den Reisenden: Für diese Begegnung sind sie weit in den Norden der Provinz Manitoba gekommen.

Churchill gilt als Hauptstadt des Beluga Watching – nirgendwo sonst in der Welt kann man die Tiere so einfach beobachten. Mehr als 50.000 Weiße Wale sollen den Sommer in der Hudson Bay verbringen, rund 3.000 versammeln sich im Mündungsdelta des Churchill, Nelson und Seal River. Besucher gehen hier in Jetboats, Schlauchbooten und mit Kajaks auf Walsafari.

»Belugas lieben das Blubbern der Bugwelle «, sagt der Paddel-Guide. »Ihr müsst rückwärts paddeln, dann seht ihr sie am besten«, rät er und zeigt, wie ein Tier mit dem sprudelnden Wasser unter seinem Paddel spielt. Ein ganzer Schwarm tummelt sich jetzt zwischen den Kajaks. Rhythmisch tauchen die weißen Rücken auf und ab, unter Wasser leuchten sie smaragdgrün. Eine Paddlerin seufzt nur: »Einer hat mir tief in die Augen geschaut.«

Abenteuer Kanada

Problembären kommen ins Eisbären-Gefängnis

Nach dem Whale Watching geht es auf Stadtrundgang. Rustikale Blockhäuser grenzen an uniforme Apartment-Blocks, ausgediente Snowmobiles aus mehreren Epochen rosten vor sich hin. Churchills Sehenswürdigkeiten sind ausgefallen: die St.-Pauls-Kirche von 1890 – angeblich das erste Fertiggebäude Nordamerikas; eine aufgegebene Forschungsstation; ein Flugzeugwrack namens Miss Piggy. Und das Eisbärengefängnis!

»Wer sich nicht benimmt, wird hier eingesperrt. Bei Wasser, aber ohne Brot!«, sagt der Wärter in dem Bau mit riesigen Stahlkäfigen. Das soll Problembären die Stadtbesuche austreiben. Rund 1.000 Eisbären leben in der Region. Wenn die Hudson Bay zufriert, pilgern sie von hier aus zur Robbenjagd aufs Eis – manchmal aber auch zur Müllsuche in die Stadt. Jeder Bewohner kann wilde Storys über Begegnungen erzählen.

Im Oktober und November ist Bärensaison – und der Tundra Buggy das ideale Safarifahrzeug: ein riesiger Bus mit Bollerofen und Aussichtsplattform. Knirschend walzt das Fahrzeug auf seinen gigantischen Rädern über Eisplatten und Steinbrocken Richtung Polar Bear Point. Dort wartet schon eine Bärenhorde, zwei spielen im Schnee, zwei ringen gerade miteinander.

Für die Eisbären sieht es vermutlich eher nach »Essen auf Rädern« aus, wenn die Menschen zu ihnen heraus in die Tundra fahren. Neugierig streckt sich einer der Fleischfresser zur Aussichtsplattform, ein scharfer Geruch steigt auf. Er kommt so nahe, dass man fast seine Nase streicheln könnte. Er sieht knuffig aus, wie er so neugierig nach den Menschen schnuppert, doch er ist ein tödlicher Jäger.

Winnipeg ist das Chicago des Nordens

In den Prärieprovinzen Saskatchewan und Manitoba leben gerade einmal zweieinhalb Millionen Menschen, rund die Hälfte davon in einer der drei Städte Winnipeg, Regina und Saskatoon. Das Land ist dreigeteilt: weite Tundra im Norden, boreale Wälder in der Mitte, goldene Prärien und Kornfelder im Süden.

Traditionell leben hier die First Nations: Über 130 Stämme mit rund 300.000 Mitgliedern sind registriert, darunter Cree, Ojibwe, Dakota und Assiniboine. Winnipeg, die Hauptstadt Manitobas, liegt sogar an einem alten indianischen Treffpunkt: Seit mindestens 6.000 Jahren kamen die Ureinwohner an den Zusammenfluss des Assiniboine und Red River, um Büffel zu jagen, Handel zu treiben und zu palavern.

»Wir haben hier schon rund 400.000 Objekte ausgegraben«, sagt Ali Fontaine, eine der jungen indianischen Guides, die durch Winnipegs Museum für Menschenrechte führen, das mit modernsten Multimedia-Animationen und Hunderten von Videos und Tondokumenten bestückt ist. Der Architekt hat viel Symbolik in den 2014 eröffneten Bau gelegt: Die abgerundete Fassade aus 1.300 Glas- paneelen soll wie die schützenden Flügel einer Taube wirken, das Fundament aus vier Wurzeln steht für die Verbindung der Menschheit mit der Erde. Insgesamt 800 Meter lange, leuchtende Rampen aus Alabaster bilden »Pfade des Lichts durch die Dunkelheit«. Und der hundert Meter hohe Turm steht für die Hoffnung.

Nur hundert Meter weiter beginnt ein architektonisches Kontrastprogramm: Wer in Winnipeg hip sein will, muss im historischen Exchange District wohnen oder zumindest arbeiten. Enge Gassen mit Kopfsteinpflaster, riesige Wandgemälde mit Werbung, Neonreklamen aus den 50ern, marode Ziegelbauten neben top sanierten Lofts, Brandmauern mit langen Feuerleitern: Assoziationen an New York oder Chicago kommen auf. In den Boomzeiten um die Jahrhundertwende kamen viele Architekten aus den USA zum Üben nach Winnipeg – und einheimische Architekten ließen sich inspirieren. Der Baustil prägte den Titel »Chicago des Nordens«. Später fiel der Exchange District in den Dornröschenschlaf. Zum Glück, denn so blieben die meisten Gebäude erhalten. Erst in den letzten Jahren zogen hier Manufakturen, Ateliers, Cafés und Restaurants ein.

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Wildnis in einem Ozean aus Farmland

Bei der Weiterfahrt nach Westen taucht man tief ins einstige Prärieland ein. Heute wird hier Weizen und Gerste, Raps und Mais angebaut: Die Prärieprovinzen bilden die Kornkammer Kanadas. Doch dann kommt ein grünes Hindernis in Sicht: die Riding Mountains, der einzige Nationalpark Manitobas. Schon zum Zeitpunkt der Parkgründung 1933 wurde das 3.000 Quadratkilometer große Gebiet mit seinen Wäldern und Seen als »Insel der Wildnis in einem Ozean aus Farmland« betrachtet. Heute strömen Besucher von weither, um mit etwas Glück Wölfe, Schwarzbären, Biber, Elche oder Wapitis zu sehen. Und Büffel! Rund ein Prozent des Parks besteht heute noch aus ursprünglicher Prärielandschaft. Man findet struppiges Bisonhaar, das manche Vögel zum Nestbau verwenden, sieht auf dem Boden die Kuhlen, in denen sich die Büffel gerne zum Schutz vor Insekten im Staub wälzen. An einer Stelle liegt sogar ein verwitterter Büffelschädel im Gras. Die Bisons selbst aber halten lieber Abstand – als schwarze Punkte sind sie am Horizont zu sehen.

Die Mountie-Police sorgt für Recht und Ordnung

Nach langer Fahrt glitzert schließlich eine Skyline in der Ferne: Die Wolkenkratzer der Provinzhauptstadt Regina, Heimat einer kanadischen Ikone: In der Schule der Royal Canadian Mounted Police werden die berühmten Ordnungshüter ausgebildet, die man an ihren Stetson- Hüten und scharlachroten Uniformen erkennt. Viele Hollywood-Filme haben das Image der Mounties als unbestechliche Gesetzeshüter und Gentlemen gefestigt.

Das Museum der Schule dokumentiert, wie die Mounties im kanadischen Wilden Westen für Recht und Ordnung sorgten, sie bekämpften Alkoholschmuggler und vermittelten zwischen Weißen und Indianern. Männer wie Major James Morrow Walsh, der sich 1877 alleine ins Camp von Häuptling Sitting Bull wagte, nachdem dieser sich auf der Flucht vor der USArmee nach Kanada zurückgezogen hatte.

In Walshs Fußstapfen tritt heute zum Beispiel Kaj Johnson. Der junge Offizier durfte drei Jahre lang an der legendären Reiterstaffel teilnehmen, die ihr Können jeden Sommer im ganzen Land vorführt. »Das hat meiner Arbeitsmoral nochmal großen Auftrieb gegeben «, sagt er. Doch die Arbeit ist hart: »Da ist viel eintönige Routine dabei. Immer und immer wieder das Gleiche trainieren.«

Das Ergebnis erleben Besucher der Schule einmal in der Woche bei der Sunset Retreat Ceremony. Hunderte Füße knallen dann im Gleichschritt auf den Asphalt, begleitet vom Klang von Dudelsäcken, Trommeln und Trompeten. Rekruten jagen in akkuraten Figuren über den Exerzierplatz. Die Flagge mit Ahornblatt flattert, die historische Kapelle der Kaserne erglüht im Abendlicht.

Wenn die Polizeischüler ihre Ausbildung abgeschlossen haben, werden sie in kleine Gemeinden überall im Land geschickt.

Bären, Wölfe und Karibus streifen durch die Wälder

Die Mounties kommen auch in Orte wie Waskesiu Lake im Prince Albert National Park, einer 4.000 Quadratkilometer großen Wildnis mit Flüssen, Sümpfen und vielen Seen. Schwarzbären, Wölfe und Karibus ziehen durch die Wälder, Biber und Fischotter bewohnen die Gewässer.

Die beliebteste Tour führt hier zur Hütte von »Grey Owl« – zu Fuß, mit dem Kanu oder im Wassertaxi. Wildnis-Guide Allie McKecknie steuert unser Boot über den Kingsmere Lake. Unterwegs diskutieren ihre Gäste über »Graue Eule«, der sich in den 1920er- und 30er-Jahren für den Schutz der Natur eingesetzt hatte und damit zu einem Vorreiter in Kanada wurde. 1931 schickte ihn die Parkbehörde als Forscher in den Prince-Albert-Park. In einer Blockhütte, die er mit seiner Familie – und zwei Bibern – teilte, schrieb Grey Owl Bücher über das Leben in der Wildnis. Der Autor reiste zu Lesungen durch Amerika und Europa, seine Auftritte krönte er mit indianischen Tänzen. Sogar die Royal Family bat um seinen Besuch. Erst nach seinem Tod 1938 platzte die Bombe: »Grey Owl« hieß in Wirklichkeit Archibald Stansfeld Belaney und stammte aus England. Er hatte von Indianern das Leben in der Wildnis gelernt. Die Haare schwarz und die Haut hennagefärbt, war er zunehmend in seiner Rolle als »edler Wilder« aufgegangen.

Nach einer halben Stunde legt Allie an einem schmalen Sandstrand an, dann geht es über einen Urwaldpfad zum Lake Ajawaan. Halb überwuchert von Büschen, führen wacklige Bohlen am Ufer entlang. Die Blockhütte des Einsiedlers liegt direkt am Ufer, mit einer Öffnung zum Wasser, so dass die »Hausbiber« jederzeit ein- und ausgehen konnten. Nur wenige Schritte entfernt eine weitere Hütte für Gäste: Grey-Owls-Fans pilgerten in den 30ern in Scharen hierher. Allie geht voraus zu einer kleinen Lichtung, wo Grey Owl, seine Frau Anahareo und ihre gemeinsame Tochter begraben sind.

Dann sitzen wir alle auf der Bank vor der spartanisch möblierten Blockhütte. Umgestürzte Bäume strecken ihre Äste ins Wasser, der Wind rauscht in den hohen Kiefern, Wellen plätschern sacht ans Ufer. Alle schweigen und lauschen auf diese magische Stille der kanadischen Wildnis.

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Zuerst geht es durch Farmland, nördlich folgen dichte Wälder, dann die Tundra: Zweimal in der Woche bricht in Winnipeg ein Zug an die Hudson Bay auf. In zwei bis drei Tagen legt er rund 1.700 Kilometer zurück – mit dem Flugzeug würde es zwei Stunden dauern. Slow Travel par excellence!

Eigentlich diente die Verbindung von Via Rail nur der Versorgung der indianischen Gemeinden des Nordens – Straßen gibt es hier nicht –, doch nun fahren auch zu neh - mend Touristen mit. Vor den Fenstern läuft ein Kinofilm in Überlänge ab: unzählige Biberburgen, Hunderte von Seen und hin und wieder ein kleines Dorf, in dem Männer auf Quads Baumaterial, Windelpakete und Tierboxen abholen. Die Passagiere der Economy Class rollen sich nachts in weichen Polstersesseln zusammen, in der Sleeper Plus Class gibt es Schlafkojen und Privatkabinen. Gegessen wird im Schichtsystem: So lernt man viele Mitreisende kennen und hört spannende Reiseanekdoten. Und jeden Freitagabend verwandelt sich der Speisewagen in einen Party-Waggon.

Info: ViaRail fährt Dienstag und Sonntag von Winnipeg nach Churchill, in der Gegenrichtung Donnerstag und Samstag (Economy oneway ab € 149, Sleeper Plus ab € 375 inkl. VP, www.viarail.ca).

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Autor: Oliver Gerhard (2/2019)

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