Stressig ist vorher Eine Karibik-Kreuzfahrt in Corona-Zeiten
Es klingt etwas verrückt: der betrüblichen Corona-Lage in Deutschland entfliehen, um auf einem Schiff durch die Karibik zu schippern - samt Weihnachtsmarkt an Bord. Unser Autor hat es ausprobiert.Der kleine Hajo kriegt beim Anblick der bunten Buden mit Weihnachtssternen, Schokoäpfeln, Bratwürsten und Glühwein große Augen. Der Junge aus Würzburg wundert sich - eigentlich sollte es in diesem Jahr wegen Corona doch keinen Christkindlesmarkt geben.
Auch die Mutter findet das Treiben ungewöhnlich. «Da muss man also tatsächlich in die Karibik fahren, um auf einen Weihnachtsmarkt gehen zu können und bei 28 Grad draußen Glühwein zu trinken», sagt sie.
Die kleine Budenstadt steht auf dem Pool-Deck der «Mein Schiff 2». Sie ist von der Crew für den ersten Adventssonntag aufgebaut und liebevoll hergerichtet worden. Drinnen im Passagier-Zentrum des Schiffs strahlen die Lichter eines riesigen Weihnachtsbaums.
Es macht fast den Eindruck, als gäbe es die Corona-Pandemie an Bord des Schiffes nicht - jedenfalls fast nicht.
Kreuzfahrt als geschlossenes System
Alle Passagiere und sämtliche Besatzungsmitglieder sind mindestens zweimal geimpft. Getestet werden sie während dieser 14-tägigen Reise durch die Karibik auch. Ohne Impfung und Test kommt niemand an Bord. Das macht vieles möglich, das zu Hause unmöglich ist.
Nicht zuletzt deshalb kommt der Kreuzfahrtbetrieb in den warmen Regionen, in denen das Leben noch größtenteils im Freien spielt, langsam wieder in Schwung. In der Adventszeit sind in der Karibik neben zwei Schiffen der Tui-Cruises-Flotte auch die «Aida Luna» und einige US-amerikanische Kreuzfahrtriesen unterwegs.
Stressig wird es vor allem vor der Reise
«Die größte Unsicherheit war, ob wir überhaupt auf unseren Dampfer rauf dürfen», erzählt Marion aus Nürnberg. Mit ihrem Mann hatte sie eigentlich eine Asien-Kreuzfahrt geplant, die wegen Corona-bedingter Einreisesperren in einigen Zielländern abgesagt wurde.
Die beiden Franken wichen auf die Karibik aus. Und hatten erstmal eine Menge Vorarbeiten und auch banges Warten vor sich: Die ursprüngliche Route durch die Antillen und die Jungferninseln wurde wegen Beschränkungen in einigen Häfen zwar auch noch geändert - aber klar war immerhin, dass die Reise stattfinden wird. «Wir konnten nur noch nicht restlos sicher sein, ob wir wirklich dabei sind.»
Wer mitfahren will, hat einige Arbeit vor sich. Vier eng bedruckte Seiten mit Gesundheitsvorschriften sind zu lesen und abzuarbeiten. Jeder Gast hat sich um die international anerkannten Impfnachweise zu kümmern und 72 bis 48 Stunden vor Ankunft in Barbados oder La Romana in der Dominikanischen Republik einen PCR-Test zu machen. Und natürlich hat man bis kurz vor der Reise ein wenig Bammel, ob der Test auch wirklich negativ ist. Dass am Tag der Anreise nochmal ein Antigentest gemacht werden muss, ist keine große Sache mehr.
Gelockerte Hygieneregeln
An Bord der «Mein Schiff» ist der Stress vorbei. Die Anforderungen an die Hygiene sind zwar noch immer anspruchsvoll. Die relativ strengen Regularien, die vor gut einem Jahr an Bord der Flotte galten, sind jedoch deutlich lockerer geworden. Maskenpflicht gilt - mit Ausnahme an den Plätzen in Bars und Restaurants - nur noch im Innern des Schiffs. Und dort, wo kein Mindestabstand eingehalten werden kann.
Häufiges Händewaschen und Desinfizieren sind überall angesagt. Der morgendliche Pflichtappell zur Temperaturmessung dagegen ist abgeschafft. Die passiert jetzt buchstäblich im Vorübergehen - bei jedem Verlassen des Schiffs, das nur zu 60 bis 70 Prozent der normalen Kapazität belegt ist. Selbstbedienung an den Buffets ist wieder erlaubt. An den Bars darf wie früher direkt am Tresen gesessen werden. Selbst Tanzen ist erlaubt – draußen auf dem Pool-Deck.
Mehr Freiheit an Land
Der Generalmanager der «Mein Schiff 2», René Peter, ist zufrieden: «Es gibt viele positive Kommentare zu den Regeln an Bord, und bisher hat sich nur ein Passagier beschwert, dass die ihm zu lax sind.» Die Gäste hielten sich fast ausnahmslos an die Vorschriften. «Und wenn ausnahmsweise mal dagegen verstoßen wird, hilft ein freundlicher Hinweis, der übrigens sehr oft von anderen Passagieren kommt.»
So kennt das auch Lisa Voellmert. Sie kümmert sich an Bord um die Landausflüge. Vor einem Jahr waren nur organisierte Touren erlaubt - mit der strengen Auflage, sich bloß nicht von der Gruppe zu entfernen. Das hat sich zur Freude der Gäste grundlegend geändert. «Wir müssen deshalb keinen Passagier mehr nach Hause schicken.»
Tatsächlich geht es bei den Ausflügen wieder vergleichsweise locker zu. Wer mit den Reiseleitern des Schiffs an Land geht, hat trotz Regeln genug eigene Bewegungsfreiheit - ob im Regenwald von St. Lucia, in den pittoresken Städtchen auf Curaçao und Aruba, auf dem Boot bei den tollen Schnorchel-Spots vor Tortola oder an den Traumstränden von Barbados und St. Maarten.
Bei individuellen Ausflügen drücken die lokalen Touristenführer schon mal ein Auge zu, wenn die Fahrgäste im Taxi die Masken nicht richtig oder gar nicht tragen. Sie sind dringend auf Kundschaft angewiesen.
Die Ein- und Ausreisevorschriften auf den meistens Inseln sind liberal. In der Regel reicht bei Landgängen das kurze Vorzeigen des Schiffsausweises. Auf Barbados wird noch ein aktueller Corona-Test verlangt. Hier hilft das Team um Schiffsarzt Oliver Grohs. In einer knappen Stunde nehmen seine Mitarbeiter am Vormittag gut 1000 Passagieren die geforderten Antigen-Tests ab. Am Abend liegen die Zertifikate für den Barbados-Ausflug am nächsten Tag in den Kabinen.
Viel Arbeit hinter den Kulissen
Was hinter den Kulissen einer Kreuzfahrt in Corona-Zeiten läuft, bekommt kaum ein Passagier mit. Hektisch geht es bei den Reedereien zu, wenn kurzfristig Routen geändert oder Reisen komplett abgesagt werden. Da sind Gäste zu informieren, zu trösten und gegebenenfalls umzubuchen. Ständige Behördenkontakte sind nötig, um die Einreisevorschriften laufend auf dem neuesten Stand zu halten.
Für Kreuzfahrt-Passagiere ist fast alles leichter geworden – viel leichter als für die Besatzung. «Am Anfang hatten wir bei der Crew eine Impfquote von acht Prozent», erzählt Schiffsarzt Grohs. «In zehn Monaten haben wir die auf 100 Prozent gebracht.» Ohne Maske geht für Besatzungsmitglieder im öffentlichen Bereich trotzdem nichts.
Eingeschränkt wurden die Kontakte zu den Passagieren. Empfänge und Treffs mit dem Kapitän zum Beispiel sind nicht möglich. Wer sich vorstellt, dass im Fall der Fälle die halbe Schiffsführung in Quarantäne gehen müsste, wird die Vorsichtsmaßnahmen verstehen.
Karibik-Kreuzfahrt
Eine Übersicht der Karibik-Kreuzfahrten von Tui Cruises auf der «Mein Schiff 2» und «Mein Schiff 1» gibt es online. Auch Aida hat Karibik-Fahrten im Angebot. Die Einreisebestimmungen der Zielländer hängen von der genauen Route ab. Hier kann das Reisebüro beraten. Hilfreich sind auch die Infos vom Auswärtigen Amt.