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Klaus Müller, Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)

Klaus Müller, Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)

Sonderrecht Anzahlung Verbraucherschützer fordern Ende der Vorkasse bei Reisen

Meist ist das Urlaubsgeld noch gar nicht auf dem Konto, da wollen Reiseveranstalter schon eine Anzahlung sehen. Verbraucherschützer finden die Vorkasse veraltet. Zu häufig gab es zuletzt Insolvenzen.

Gerade ist es besonders heikel: Wer einen Urlaub bucht, kann angesichts steigender Corona-Infektionszahlen nicht sicher sein, dass er wirklich reisen kann. Eine Anzahlung wird häufig trotzdem fällig.

Das ruft Verbraucherschützer auf den Plan. «Ich halte die Vorkassezahlungen für antiquiert, für nicht mehr verantwortbar im Flug- und Reisebereich», sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, der Deutschen Presse-Agentur.

Veranstalter von Pauschalreisen dürfen bisher mindestens ein Fünftel des Reisepreises schon im Voraus verlangen. Das sei ein Sonderrecht, das längst nicht mehr gerechtfertigt sei, meint Müller. Bei fast allen anderen Geschäften sei es normal, erst eine Leistung zu bekommen und dann zu zahlen. «Sie kaufen ein Brötchen und sie bezahlen, sobald das Brötchen über die Theke geht.» Auch bei vielen Hotelbuchungen sei das inzwischen so: «Sie waren im Hotel, Sie checken aus und bezahlen dann dafür».

Dass für Pauschalreisen 20 oder 30 Prozent des Reisepreises und bei Flügen sogar die gesamte Summe weit im Voraus zu zahlen ist, sei «eine überkommene Fehlsteuerung», kritisierte Müller. Zu häufig habe man zuletzt erlebt, dass Airlines oder Reiseveranstalter insolvent gegangen seien. «Ich bezweifele, dass wir hier bereits die letzte Insolvenz in Europa gesehen haben», sagte der Verbraucherschützer. Entweder müsse über ein Verbot der Vorkasse diskutiert werden - oder über eine breitere Insolvenzabsicherung nicht nur für Pauschalreisen, sondern auch für Flüge.

Die Bundesregierung will nach der Pleite des großen Veranstalters Thomas Cook zumindest die Absicherung für Pauschalreisen verbessern. Veranstalter sollen in einen Fonds einzahlen müssen, damit auch riesige Schadenssummen in Zukunft abgesichert sind. Im Fall Thomas Cook reichte die Versicherungssumme von 110 Millionen Euro nur, um einen Bruchteil der Forderungen der betroffenen Urlauber zu begleichen. Die Bundesregierung sprang für den Rest ein.

Der Deutsche Reiseverband (DRV) hält das grundsätzlich für den richtigen Ansatz. An der Vorauskasse dagegen will die Branche festhalten. «Kunden von Pauschalreisen sind gegen die Insolvenz des Reiseveranstalters abgesichert, sowohl bei der Anzahlung als auch der Restzahlung», betont der Verband. «Insofern besteht hier kein Änderungsbedarf dieses für die Kunden günstigen Systems.»

Auch der Bundesgerichtshof hatte Anzahlungen zuletzt generell für zulässig erklärt - unter anderem, weil die Reiseveranstalter oft selbst in Vorkasse gehen müssen. Sie kaufen entweder zu Beginn der Urlaubssaison größere Kontingente bei Fluggesellschaften und Hotels - oder stellen Reisen nach tagesaktuellen Preisen zusammen. In diesem Fall müssten sie in der Regel ebenfalls in Vorleistung gehen und ihren Partnern den Reisepreis sofort überweisen, sagte DRV-Sprecher Torsten Schäfer. «Deshalb sind Anzahlungen notwendig und gerechtfertigt.»

Übrigens: Sagt ein Urlauber seine Reise wegen einer kurzfristig ausgesprochenen Reisewarnung des Auswärtigen Amts ab, muss die Anzahlung nach einem Gutachten des Verbraucherzentrale Bundesverbands innerhalb von 14 Tagen zurückgezahlt werden. Reisewarnungen gelten derzeit für mehr als 160 Länder außerhalb der Europäischen Union, - darunter beliebte Urlaubsländer wie Ägypten, Thailand und die Dominikanische Republik - aber auch für Regionen in Frankreich, Spanien, Belgien, Kroatien, Bulgarien und Rumänien. Eine Reisewarnung ist kein Verbot, soll aber eine erhebliche abschreckende Wirkung haben. Außerdem ermöglicht sie es Reisenden, Buchungen kostenlos zu stornieren.

(31.08.2020, dpa)

 
REISE & PREISE sagt Ihnen, welche Rechte sie haben.

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REISERECHT Stau, Zugverspätung - Flieger weg

Da fliegt es davon - und man selbst sitzt auf seinem Koffer im Flughafen anstatt im Flugzeug. Es gibt viele Gründe, warum ein Passagier seinen Flug verpassen kann: verschlafen, Stau auf der Autobahn, S-Bahn verpasst, Zugverspätung. Nicht immer bleibt er allerdings auf seinem Schaden sitzen. REISE & PREISE sagt Ihnen, wann mit Schadensersatz zu rechnen ist.

Grundsätzlich, so Juristen, muss der Reisende bei seiner Anfahrt zum Flughafen »vorhersehbare und einzukalkulierende Risiken im täglichen Straßenverkehr« berücksichtigen. Die Regel gilt bei manchen Richtern sogar für eher nicht vorhersehbare Zwischenfälle. In einem Fall wurde ein Urlauber bei der Anfahrt zum Airport mit seinem Fahrzeug schuldlos in einen leichten Verkehrsunfall verwickelt. Doch das reichte aus, um die Maschine zu verpassen. Der Betroffene wollte vom Unfallgegner dafür Schadensersatz. Doch vor Gericht kam er damit nicht durch. Die Richter bemäkelten vor allem, der Betroffene sei »ohne jedes Zeitpolster erst so spät« losgefahren, dass er durch den Unfall in die Bredouille geriet. (AG Menden; Az.: 4 C 53/05).

Besser haben es Reisende, die ein pauschales Urlaubspaket mit Rail & Fly-Ticket der Deutschen Bahn gebucht haben. Hat der Zug auf der Fahrt zum Flughafen Verspätung und verpasst der Passagier deswegen seinen Flug, dann muss der Reiseveranstalter für den Schaden haften. Frankfurter Richter erklären: Bietet der Reiseveranstalter für die Anreise zum Flughafen Rail & Fly-Tickets an, so gehört dieser Transfer zum Reisevertrag zwischen Veranstalter und Urlauber. Erreicht der Kunde wegen einer Zugverspätung dann nicht rechtzeitig den Check-in-Schalter und bietet der Veranstalter ihm keinen »zeitnahen« Ersatzflug an, so liege ein »erheblicher Reisemangel« vor. Und dann, so

das Gesetz, können betroffene Urlauber nicht nur eine Minderung des Reisepreises fordern, sondern auch die Reise sofort kündigen, bzw. Schadensersatz oder Entschädigung für »nutzlos aufgewendete Urlaubszeit« verlangen. In diesem Fall galt das, obwohl die betroffenen Gäste sich selbst die Zugverbindung ausgesucht hatten (LG Frankfurt am Main, Az.: 2-24 S 109/09).

Auch wer den Flughafen schon erreicht hat, muss aufpassen. In der Wartelounge des Airports von Dubai schlief der Teilnehmer einer deutschen Reisegruppe ein, verpasste deshalb den Weiterflug in den Jemen und musste auf eigene Kosten mit einer späteren Maschine nachkommen. Vor Gericht hatte er noch versucht, die Verantwortung auf die Reiseleiterin abzuwälzen. Die hätte ihn wecken müssen, habe ihre »Betreuungspflicht« nicht erfüllt. Doch die Reiseleiterin hatte ihn geweckt. Der müde Passagier war direkt danach aber erneut eingeschlafen (AG München, Az.: 183 C 15864/07).

Immer wieder verpassen Passagiere ihren Flug, weil sie am Check-in zu lange warten müssen. Hier sind vor allem die Fluggesellschaften in der Pflicht, sie müssen für entstandene Schäden haften. Grundsätzlich gilt: Ein Reisender, der frühzeitig am Abfertigungsschalter erscheint, »darf darauf vertrauen, rechtzeitig abgefertigt zu werden und mitfliegen zu können« (AG München, Az.: 113 C 2852/00). Und: Solange die Abfertigung am Check-in-Schalter noch nicht abgeschlossen ist, darf eine Fluggesellschaft »die Annahme auch des verspätet am Abfertigungsschalter erschienenen Fluggastes nicht verweigern«, so Juristen. Mit anderen Worten: Wer zu spät am Flughafen erscheint, der sollte nicht gleich schwarz sehen, sondern erst mal zum Check-In-Schalter eilen. Werden dort noch andere Gäste abgefertigt, so muss auch er noch an die Reihe kommen. Ist der Schalter aber bereits geschlossen, dann hat der Passagier Pech gehabt (AG Bad Homburg, Az.: 2 C 2101/98-18). Wichtig auch: Bei langen Warteschlangen muss die Airline dafür sorgen, dass Passagiere mit nahender Abflugzeit aus der Check-in-Schlange herausgerufen und schnellstmöglich abgefertigt werden (AG Erding, Az.: 4 C 309/06).

Umgekehrt müssen Fluggäste bei Umsteigeverbindungen oder Anschlussflügen die für jeden Airport gültige »minimum connecting time« berücksichtigen. Mit Blick auf die internationale Ankunft und die Zollformalitäten hält Luftrechtler Roland Schmid zum Beispiel eine nur 50-minütige Umsteigezeit im indonesischen Flughafen Denpassar für "sehr knapp bemessen". Dort hatte ein aus Singapur kommender deutscher Passagier seinen Weiterflug auf die Ferieninsel Lombok verpasst.

(April 2010, Elias Elo)

Passagiere haben bei Verspätungen Anspruch auf Entschädigung, wenn die Airline keine Ersatzcrew stellen kann.

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Foto: R&P

Reiserecht Airline muss Ersatzcrew stellen

Eine Airline muss notfalls eine Ersatzcrew parat haben, um große Verspätungen zu vermeiden. Sorgt eine Airline nicht vor, haben Passagiere bei Verspätungen Anspruch auf eine Entschädigung. 
Der Streik macht vielen Reisenden einen Strich durch die Planung.

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Reiserecht  Diese Rechte haben Fluggäste beim Streik

Am Flughafen in Frankfurt haben die rund 200 Vorfeldmitarbeiter erneut die Arbeit niedergelegt. Der Streik könnte bis Donnerstag andauern. Betroffene Passagiere sollten jetzt ihre Rechte kennen.