REISEN MIT CORONA Urlaubsträume platzen: Wie geht es jetzt weiter?
Der Corona-Virus breitet sich weltweit weiterhin aus. Mittlerweile sind auch die internationalen Reiseströme weitgehend lahmgelegt. Was bedeutet das für den Einzelnen? Wir erklären die Rechte von Urlaubern, die wegen Covid-19 ihre Reise nicht antreten, sie abbrechen wollen und wissen möchten, wie man sich bei der weiteren Reiseplanung verhält.Wohin kann man überhaupt noch reisen?
Abgesehen davon, dass Deutschland die Grenzen für Ein- und Ausreise zunehmend schließt, werden auch die möglichen Zielgebiete fast stündlich weiter eingeschränkt. Zahlreiche Länder lassen deutsche Urlauber überhaupt nicht mehr einreisen oder verlangen zumeist eine zweiwöchige Selbstisolation im privaten Umfeld oder Hotel bzw. eine ebenso lange staatliche Quarantäne. Eine Übersicht mit den aktuellen Reisebeschränkungen für Auslandsreisen finden Sie hier. In bestimmte Regionen darf nach wie vor gereist werden, allerdings besteht die Gefahr, bei Verschärfung der Lage evtl. nicht mehr ausreisen zu können bzw. in eine Quarantäne überführt zu werden. Europa- und weltweit schränken Regierungen den internationalen Reiseverkehr ein, um die Verbreitung des Virus zu verlangsamen. In zahlreichen beliebten Feriengebieten wurden Hotels und Restaurants geschlossen und der Beginn der Sommersaison verschoben. Andere Länder stoppen den internationalen Zug- und Flugverkehr.
Soll ich vorläufig besser nicht mehr Urlaub machen?
Vermutlich ist es so, wie Österreichs Gesundheitsminister Rudolf Anschober sagt: »Wir müssen für ein paar Monate unser Leben verändern.« Aber das sollte, wie die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel anmerkt, »mit Augenmaß« geschehen. Auf das Thema Reisen herunter gebrochen könnte das bedeuten: Wanderurlaub auf der Schwäbischen Alb eventuell schon, Citytrip nach Mailand momentan wohl eher nicht. Zu vermeiden sind Menschenmengen, belebte Plätze, U-Bahn-Fahrten zur Rush-hour. Für ein paar Wochen in den Pausenmodus wechseln kann mancher aber sinnvoller in einem Ferienhaus untergebracht als in der Innenstadt. Einschränkungen wird es indes auf jeden Fall geben. Deshalb plant man momentan besser kurzfristig.
Wenn ich jetzt buche und hinterher doch nicht reisen kann: Bleibe ich auf den Kosten sitzen?
Bei einer Pauschalreise eher nein. Wenn das Auswärtige Amt für das Reiseziel eine Reisewarnung ausspricht, dann wird der Veranstalter die Reise absagen, der Urlauber bekommt den Reisepreis erstattet. Oft werden auch großzügige Umbuchungsmöglichkeiten angeboten. Wer allerdings selbst aus Angst vor Ansteckung eine Reise in ein Land stornieren möchte, für das keine amtliche Reisewarnung existiert, der muss die Kosten selbst tragen.
Hat man sein Hotel und z.B. auch einen Flug individuell gebucht, dann wird es schwierig. Es gelten stets die Gesetze und Regelungen des jeweiligen Reiselands. Oft bleibt man schon auf den Kosten sitzen, weil keiner gern in Portugal oder in der Türkei klagt. Glück im Unglück hat, wessen Flug von der Airline gestrichen wurde bzw. wenn das Hotel schließen musste. Sonst kann man nur auf Kulanz hoffen. In Deutschland gilt immerhin nach Aussagen des Verbraucherzentrale Bundesverbands, dass nichts zu zahlen ist, wenn die Leistung nicht genutzt werden kann, also die Unterkunft zum Beispiel in einem Sperrgebiet liegt (www.verbraucherzentrale.de, Suche nach »Coronavirus«).
Was gilt bei Flugbuchungen?
Wenn Flüge gestrichen wurden, dann erhält der Reisende sein Geld zurück. Ob er darüber hinaus Anrecht auf einen Ausgleich nach der EU-Fluggastrichtlinie hat, ist umstritten. Wer sicher gehen will, der kann seine Ansprüche an Portale wie EuFlight verkaufen und bekommt dann zwar weniger, ist aber aus dem Risiko. Bei gebuchten Flügen z.B. in die USA muss die Fluggesellschaft den Passagieren schon in Deutschland den Zutritt zum Flugzeug verweigern, erklärte der Rechtsanwalt Paul Degott aus Hannover gegenüber dem "Spiegel". Die Folge: Flugpassagiere müssen das Geld für ihr Ticket zurückbekommen.
Einige Unternehmen zeigen von sich aus Kulanz. So erlaubt Lufthansa angesichts der Pandemie tarifunabhängig kostenlose Umbuchungen für alle bestehenden Tickets, die bereits bis zum 31. März mit einem Abflugdatum bis zum 30. April gebucht werden. Unabhängig vom Tarif können Passagiere das Datum kostenlos einmal für eine Abreise bis 31.12. dieses Jahres verändern. Auch Eurowings und Condor haben vergleichbare Verzichte auf Umbuchungsgebühren angekündigt.
Was kann ich tun, wenn ich kein Fan von Pauschalreisen bin und nur einen Flug, ein einzelnes Bahnticket oder eine Ferienwohnung buchen will?
Die Bahn bietet kostenlose Stornos, wenn die Reise zu einer wegen des Coronavirus abgesagten Veranstaltung gehen hätte sollen (www.bahn.de/corona oder Tel. 0800/5141514) oder das Hotel am Zielort unter Quarantäne steht. Einschränkung: Man bekommt nur einen Gutschein.
Wer nur ein Hotel buchen will, der hat die Möglichkeit, bei den großen Hotelportalen wie Booking, HRS und Expedia ein Hotelzimmer mit kostenloser Stornierung bis zum Anreisetag um 18 Uhr zu reservieren. Wer nicht gern im Internet bucht, der kann mit Hinweis auf die Hotelportale per E-Mail oder telefonisch beim Hotel anfragen, ob er auch bei Direktbuchung die identische Stornobedingung bekommt.
Wenig bekannt ist folgender Tipp: Diese vier Reiseveranstalter behandeln auch Einzelleistungen wie eine Pauschalreise: Bentour, DER Touristik, Schauinsland Reisen, Tui. Wer also sein Flugticket in die USA oder einen Mietwagen in der Provence über einen dieser Anbieter bucht, der ist gestellt wie bei einer Pauschalreise.
Ich habe bereits gebucht. Ist mein Geld verloren?
Nicht unbedingt. Angst ist zwar kein Stornogrund. Aber wenn wichtige Programmpunkte ausfallen, dann gibt es für Pauschalreisende Geld zurück. Sind gar zentrale Bestandteile z.B. bei einer Rundreise die wichtigen Museen und Kirchen nicht besuchbar, dann kann der Reisende kostenlos zurücktreten. Darüber hinaus zeigen sich augenblicklich viele Reiseveranstalter kulant und gestatten Umbuchungen, oft bis Jahresende.
Individualurlauber haben dagegen keine zugesicherten Ansprüche. Es lohnt sich auf jeden Fall nachzufragen und ggf. zu versuchen, den Reisetermin zu verschieben - so kann das Hotel weiterhin mit Einnahmen rechnen, man selbst spart die Stornogebühr. Wenn das Hotel schließt wie z.B. derzeit viele Häuser in Italien, dann kann es nach Ansicht des Verbraucherzentale Bundesverband auch kein Geld verlangen: "Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Unterkunft in einem Sperrgebiet liegt und nicht erreichbar ist."
Bei einem behördlichen Einreiseverbot liegt wohl ein Fall von "außergewöhnlichen Umständen" vor. Dieser Ansicht ist zumindest der bekannte Reisejurist Dr. Ernst Führich aus Kempten. Sowohl eine Pauschalreise als auch ein einzelner Flug könnten sich kostenfrei stornieren lassen. Ob das auch alle Gerichte so sehen, wird sich jedoch letztlich erst durch entsprechende Urteile zeigen.
Führich ist zudem der Ansicht, dass deutsches Recht auch für Verbraucher gilt, die auf einem deutschsprachigen Hotelportal im Internet gebucht haben. Sie sollten sich seiner Empfehlung nach bei einem behördlichen Einreiseverbot an das Portal wenden und auf gebührenfreie Stornierung pochen. Im Streitfall könnten sie am eigenen Wohnsitzgericht klagen.
Wer zahlt, wenn ich im Hotel oder Kreuzfahrtschiff unter Quarantäne gestellt werde?
Das Auswärtige Amt stellt klar: »Wenn eine Infektion festgestellt wird, entscheiden die Behörden des jeweiligen Landes, welche Maßnahmen ergriffen werden. Die Behörden können dabei wie auch in Deutschland Quarantänemaßnahmen anordnen. Diese gelten auch für Reisende und müssen befolgt werden.« Mit anderen Worten: Das Auswärtige Amt wird sich im Regelfall nicht einmischen, wenn deutsche Gäste auf einem Kreuzfahrtschiff oder Hotel unter Quarantäne gestellt werden.
Muss ein Urlauber länger in Quarantäne bleiben, als sein Zimmer gebucht ist, und fordert der Hotelbetreiber Nachzahlung, so empfiehlt der Reisejurist Paul Degott, erst mal nicht zu zahlen: Degott sieht nämlich den Staat in der Pflicht, der die Quarantäne angeordnet hat. Teurer wird es in aller Regel aber trotzdem: Denn bei der Heimreise ist ein neuer Rückflug zu buchen, und da zeigen sich die wenigsten Fluggesellschaften kulant.
Helfen Rücktrittskostenversicherungen?
Eher nicht. Eine Reiserücktrittskostenversicherung zahlt nur in sehr klar umrissenen Fällen, die vornehmlich mit eigenen Verhinderungen des Reisenden zu tun haben: Krankheit oder Unfall, definitiv aber nicht Angst vor Ansteckung. Wer unterwegs an dem neuen Virus erkrankt, dem hilft eher eine Reiseabbruchversicherung. Eine Auslandskrankenversicherung, wie es sie bereits für unter zehn Euro gibt, ist sowieso immer zu empfehlen.
Wie ist die Buchungslage im Moment? Werden die Leute später oder dieses Jahr gar nicht buchen?
Einige österreichische Hoteliers rieben sich in den vergangenen Wochen die Hände: Kaum war Südtirol zum Risikogebiet ernannt, stand bei ihnen das Telefon nicht mehr still, weil die Leute ihren Skiurlaub umbuchen wollten. Generell herrscht aber im Moment Totenstille an der Buchungsfront. Reisebüromitarbeiter stöhnen, dass nur noch Stornos reinkommen. Die ersten Reiseunternehmen, wie etwa das Kreuzfahrtportal e-hoi, haben bereits Kurzarbeit angemeldet. TUI-Chef Fritz Joussen richtet sich auf »länger anhaltende Folgen der Coronakrise« ein, wie er der dpa mitteilte. Der Marktführer zieht sogar in Erwägung, den Betrieb vorübergehend ganz einzustellen. Gewinner dieser Situation gibt es nicht, momentan werden am ehesten noch Deutschland-, Auto- und Kurzreisen unternommen. Die Vorzeichen deuten auf einen Last-Minute-Sommer hin.
Sollte man momentan aus Ansteckungsgefahr zu Hause bleiben?
Bei der Buchung des Sommerurlaubs zurückhaltend zu sein, ist derzeit sicher nicht verkehrt. Die eigentliche Ansteckungsgefahr halten Reisemediziner wie Stefan Eßer vom Gesundheitsdienstleister International SOS aber für gering. Sogar für China, schätzt der Fachmann, der internationale Konzerne berät, die Gefahr außerhalb der Provinz Wuhan eher »nicht hoch«. Trotzdem rät er nicht zur Reise; denn »es kann sein, dass Sie dann da feststecken.« Immerhin sieht Eßer Licht am Ende des Tunnels: Momentan herrsche zwar noch große Unsicherheit in der Fachwelt. Aber das sei endlich: »Virologen und Epidemiologen gehen noch von ein, zwei Monaten aus.«
(16.03.2020, srt)