fbpx
Eine Patchworkdecke aus Gärten: Das gesamte 60 Hektar große Gelände wurde in Quadrate eingeteilt.

Eine Patchworkdecke aus Gärten: Das gesamte 60 Hektar große Gelände wurde in Quadrate eingeteilt. Foto: Floriade Park/dpa-tmn

Grüne Stadt unterm Meer Floriade im niederländischen Almere

Klassische Holland-Idylle sucht man in Almere vergeblich. Denn das ist neues Land mit spektakulärer Architektur und viel Wasser. Die Stadt nahe Amsterdam ist Kulisse der Internationalen Gartenschau.

Unter dem endlosen Himmel ziehen sich die Straßen schnurgerade scheinbar ins Unendliche. Wolken türmen sich auf zu dramatischen Gebilden, spiegeln sich im Wasser.

Hier im Flevopolder ist das Land noch platter als sonst in den Niederlanden, der Himmel noch weiter, das Licht noch klarer. Am südwestlichen Zipfel der künstlichen Insel liegt Almere - mit ihren rund 220.000 Einwohnern die jüngste Stadt der Niederlande und kaum 50 Jahre alt. Das Land, auf dem sie steht, wurde dem Wasser abgerungen und so ist Almere ein Symbol für den Kampf gegen die Naturgewalten.

Zugleich ist sie eine grüne Stadt - umgeben von Naturparks sowie dem Markermeer, dem Ijmeer und dem Gooimeer. Vom 14. April bis 9. Oktober ist Almere Kulisse der Floriade Expo 2022.

Die Internationale Gartenbauausstellung findet alle zehn Jahre an einem anderen Ort statt, in diesem Jahr mit dem Thema: «Growing Green Cities», wachsende grüne Städte. Die Floriade ist mehr als eine bunte Schau von Gärten aus aller Welt. Es ist eine Ideenmesse für die Zukunft: Wie können unsere Städte angesichts des Klimawandels lebenswerter, grüner, nachhaltiger werden?

In der Ferne die Skyline von Amsterdam

Dafür gibt es kaum einen besseren Schauplatz als Almere. Es ist eine grüne Stadt, aber ebenso eine blaue Stadt. Alles hier ist von Wasser umgeben und fast überall bläst ein kräftiger Seewind. Er wirbelt die Haare durcheinander, lässt einen strampeln auf dem «fiets» - dem Fahrrad - und pustet frische Gedanken in den Kopf.

Almere ist durchzogen von Kanälen und ein Paradies für Wassersportler. In der Ferne sieht man die Skyline von Amsterdam.

Nur wenige Minuten Fußweg vom Bahnhof entfernt liegt mitten in der City der See Weerwater. Auf breiten Holz-Pontons räkeln sich Studenten in der Sonne, relaxen Angestellte in der Mittagspause am neuen City-Strand. Gleich daneben liegt das Theater «Kunstlinie», das auf dem Wasser zu schwimmen scheint. Wasser und Wolken spiegeln sich in der gläsernen Fassade des Gebäudes.

Subtiler Hinweis auf den Meeresspiegel

«Wir sind hier fünf Meter unter dem Meeresspiegel», sagt Paul Meekel. Er führt Besucher durch die Stadt, zeigt ihnen das Spektakuläre, aber auch das Unscheinbare. Wie eine gezackte Linie in einer Fassade. «Sie gibt die Höhe des Meeresspiegels an.» So werden Menschen sehr subtil daran erinnert, dass dieser Wohnort alles andere als selbstverständlich ist.

Für Niederländer ist das nichts Neues, etwa 40 Prozent ihres Landes liegen unterm Meeresspiegel. Doch in Almere ist alles noch eine Nummer schärfer. Hier war bis 1968 Wasser.

Einst lag hier die Zuiderzee, die Südsee, eine Ausstülpung der Nordsee. Jahrhunderte lang waren Dörfer und Inseln Spielball von heftigen Stürmen und Überflutungen. Die Fluten reichten bis vor die Tore von Amsterdam. Anfang des 20. Jahrhunderts beschloss man, die Zuiderzee trocken zu legen. Ein Teil wurde das heutige Ijsselmeer. Ein anderer Teil wurde trocken gelegt, eingepoldert.

Ein Mekka für Architekturfreunde

Almere wurde auf dem Reißbrett entworfen und zur Spielwiese für Spitzenarchitekten. Der niederländische Stararchitekt Rem Koolhaas entwarf das Zentrum. Drei Stockwerke hat es. Unten liegen Parkplätze, Straßen, getrennte Spuren für Busse und Fahrräder. Aus der Unterwelt führen breite Rolltreppen nach oben zur Shoppingmall, dem Strand und atemberaubenden Wohntürmen. Oben, auf den grün bewachsenen, leicht hügligen Dächern der Läden, stehen Reihenhäuschen mit idyllischen Gärtchen - fast wähnt man sich im Teletubby-Land.

Viertel wurden nach Bedürfnissen der Bürger gebaut: «Duin» (Düne) etwa ist eine künstlich gebaute Dünenlandschaft mit Jachthafen und Strandboulevard. Im Öko-Viertel «Oosterwold» leben die Menschen nachhaltig und bauen ihre eigene Nahrung an.

Eine neue Stadt für die Floriade - die bleibt

Und Almere wächst. Vom City-Strand aus sieht man bereits die Konturen des neuesten Viertels - ein verlockender grüner Dschungel namens «Hortus», übersetzt der Garten. Doch bevor hier die neuen Bewohner das Viertel beziehen, werden noch die rund zwei Millionen Besucher der Floriade Expo erwartet. Das Gelände am Weerwater-See erreicht man mit Auto, Bus, Fahrrad oder mit dem Boot ab dem City-Strand.

«Diese Floriade ist anderes als alle anderen zuvor», sagt Niek Roozen, der Landschaftsarchitekt der Expo. Zum ersten Mal ist dies nicht nur eine Messe, die nach einem halben Jahr wieder abgerissen wird. «Wir bauen eine neue Stadt.» Die gesamte Infrastruktur bleibe, sagt Roozen. Diese ist nachhaltig und auf den Klimawandel angepasst. Der Architekt zeigt etwa auf die breiten Gehwege, die so angelegt sind, damit das Regenwasser schnell ablaufen kann.

Eine von Kanälen durchzogene Patchworkdecke

Das gesamte 60 Hektar große Gelände wurde in Quadrate eingeteilt und alphabetisch nach den botanischen Namen der Pflanzen bepflanzt. Das T ist natürlich für die Tulpe reserviert, das versteht sich von selbst.

So entstand eine Patchworkdecke aus Gärten, durchzogen von Kanälen mit Brücken aus recycelten Materialien. «Hier will man doch später wohnen, oder?», fragt Landschaftsarchitekt Roozen.

Neue Wälder wurden angelegt. Im Nahrungswald etwa findet man nur essbare Pflanzen. Ganz besonders ist der Wald auf dem Wasser. Recycelte Bojen wurden mit Bäumen bepflanzt, die lässig auf dem Wasser dümpeln. Auch Podien und Bühnen für das Kulturprogramm schwimmen.

Eine Reise durch die Gärten der Welt

Gut 30 Länder errichteten einen eigenen Pavillon, in dem sie ihre Ideen für die grüne Stadt der Zukunft vorstellen. Die Expo ist wie eine Reise durch die Gärten der Welt.

Die Niederlande zeigen, wie man nachhaltig und klimaschonend mit biologischen Produkten bauen kann. China lädt zu einem Rundgang durch einen wachsenden Bambusgarten ein. Indien nimmt die Besucher mit auf eine spirituelle Reise. Katar demonstriert in Zuckerhut ähnlichen Gebäuden, wie man durch traditionelle Formen und moderne Techniken die Wüsten ergrünen lässt.

Hunderte von Ausstellern zeigen moderne Techniken für den Gartenbau und Ideen für den Klimaschutz zu Hause. Spannende neue Materialien werden präsentiert - zum Beispiel aus Paprikastängeln gebaute Flugzeugstühle oder aus Pilzen hergestelltes Leder.

Wie verwunschene Inseln in der See

Ob man alles an nur einem Tag sehen kann? Wohl kaum. Zum Glück muss man nicht alles erlaufen: Eine 850 Meter lange Seilbahn führt von einem zum anderen Ende der Floriade.

Aus den Gondeln heraus hat man einen fantastischen Blick auf das Gelände, das wie große verwunschene Inseln auf dem Weerwater-See von Almere zu treiben scheint. Auf der anderen Seite ragt die moderne Skyline der Stadt, unten blüht und wuchert die Natur.

«Alles gedeiht hier extra gut», sagt Landschaftsarchitekt Roozen. «Der Meeresboden ist eben extrem fruchtbar.»

Almere und Floriade Expo

Anreise: Almere ist von Amsterdam und Utrecht sehr gut mit dem Zug zu erreichen. Auch vom Flughafen Schiphol fahren in hohem Takt Züge nach Almere - die Bahnfahrt dauert rund 25 Minuten. Die Autobahn A6 führt an Almere vorbei. Das Zentrum der Stadt ist autofrei, aber es gibt ausreichend Parkplätze.

Floriade Expo: Die Internationale Gartenbauausstellung läuft vom 14. April bis zum 9. Oktober und ist täglich von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Das Gelände ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut erreichbar. Im Zentrum von Almere fahren Shuttlebusse ab. Oder man nimmt das Boot über den See Weerwater (4,50 Euro hin und zurück). Infos unter: www.floriade.com/de

Informationen: Tourismusbüro VVV Almere, Adresse: De Diagonaal 199, 1315 XM Almere, Tel.: 0031 36 548 5041, E-Mail-Adresse: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Website: www.visitalmere.com

Copyright 2022, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten