Dschungel statt Großstadt Aachenerin beginnt neues Leben am Strand von Madagaskar
Maria Bester wuchs als Stadtkind in Aachen auf. Jetzt lebt die deutsche Abenteurerin an einem der entlegensten Orte der Welt. Auf einer einsamen Halbinsel Madagaskars zieht sie ihre Kinder regelrecht im Dschungel auf.Es ist fast wie im Kitschroman: ein Holzhaus am weißen Sandstrand, Palmen wiegen sich in der warmen Brise, Buckelwale spielen im kristallklaren Wasser. Für die gebürtige Aachenerin Maria Bester gehört dies zum Alltag.
Seit elf Jahren lebt die 38-jährige Abenteurerin mit ihrem Mann und zwei Kindern in einer der entlegensten Ecken des südostafrikanischen Inselstaats Madagaskar.
Keine Autos - noch nicht mal Fahrräder
Die Masoala Forest Lodge, die Bester mit ihrem südafrikanischen Mann Pierre mitten im Regenwald managt, ist ein winziges Fleckchen auf der Landkarte. Dorthin kommt man nur mit einer 40-minütigen Bootsfahrt - oder einem viertägigen Fußmarsch. Auf der gesamten Halbinsel, über die sich der von der UNESCO als Weltkulturerbe gelistete Masoala Nationalpark über 2400 Quadratkilometer erstreckt, gibt es keine Autos, sondern nur kleine Trampelpfade, zu sandig sogar für Fahrräder. Nur ungefähr 1000 Menschen leben in dem Gebiet der Größe Luxemburgs - darunter die Besters mit ihren Kindern Salma, 8, und Charlie, 6.
Die Abenteuerlust hat Bester schon immer gepackt. Seit ihrer Kindheit reist sie gern in ferne Länder, interessiert sich für fremde Kulturen, trifft gern Menschen, die anders denken. Doch dass sie für mehr als ein Jahrzehnt in einem kaum besiedelten Inselparadies im Nordosten Madagaskars leben würde, das hätte sie sich nicht erträumt, sagt Bester, die sich «eigentlich als richtiges Stadtkind» bezeichnet.
Besters Liebe zu Afrika begann nach dem Lehramt-Studium. Sie baute einen alten Eiscremewagen um und fuhr 2009 für zwölf Monate von Deutschland über Osteuropa, Syrien, Jordanien, Ägypten, Sudan, Kenia und Tansania bis an die Südspitze Afrikas. Am Endpunkt der Reise, in der Touristenmetropole Kapstadt, lernte Bester ihren zukünftigen Mann kennen, der mit dem Aufbau einer Lodge in Madagaskar beschäftigt war.
Aller Anfang ist schwer
Bester war neugierig. Ein weiteres Abenteuer rief. Für sechs Wochen flog sie nach Masoala, um sich die Gegend anzuschauen, doch stellte fest: «Nein, das ist nichts für mich. Das war mir doch zu fremd.» Ein Leben an einem isolierten, wenn auch bilderbuchschönen Ort konnte sie sich als geselliger, sozialer Mensch einfach nicht vorstellen. «Ich bin immer viel unterwegs gewesen, habe gerne Zeit in Museen, auf Konzerten und in Theatern verbracht und mich oft mit Freunden getroffen», erzählt sie. Das habe sie nicht aufgeben wollen.
Schweren Herzens kehrte Bester nach Aachen zurück und beschloss, ein Geschäft für Innendekoration zu eröffnen. Doch wenige Monate später stand Pierre vor der Tür - und die Liebe siegte. «Ich habe mich in erster Linie für den Mann entschieden und nicht für den Lifestyle, für den ich mich dann aber schnell begeistern konnte», sagt sie.
Die Anfangsjahre waren trotz der idyllischen Umgebung mit Aktivitäten wie Schnorcheln an Korallenriffen oder Wandern mit Lemuren nicht leicht. Während in der Hauptstadt Antananarivo die Amtssprache Französisch ist, wird in Masoala ausschließlich ein Dialekt der Lokalsprache Malagassi gesprochen. «Dafür gibt es kein Wörterbuch. Das erste Jahr habe ich den ganzen Tag lang auf Sachen gezeigt und gefragt «Wie heißt das? Wie heißt das?»», erinnert sie sich.
Einkaufen ist nur mit dem Boot möglich
Das Leben von Maria Bester ungewöhnlich zu nennen, ist eine Untertreibung. Der nächste Ort zum Einkaufen, die kleine Hafenstadt Maroantsetra, ist nur per Boot erreichbar. Ein bis zweimal die Woche wird dort auf dem Markt eingekauft. Es gibt nur, was gerade Saison hat. Obst und Gemüse wie Mangos, Ananas, Avocados, Salat und Kräuter pflanzt Bester in ihrem Garten an. Brot backt die Lodge selbst, Fisch und Meeresfrüchte kauft Maria am Strand direkt den Fischern ab. Käse gilt als großer Luxus in Madagaskar und ist nur in der Hauptstadt erhältlich. Auch verlässliche Gesundheitsversorgung ist mehrere Flugstunden entfernt.
«Es gab Momente, da hätte ich mich gern in eine Ecke gestellt und geheult», erinnert sich Bester an die Anfangszeit. Doch mit ihrer ansteckenden positiven Art und ihrem energiegeladenem Tatendrang war sie für jede neue Herausforderung zu haben. «Eigentlich mag ich diesen unangenehmen Bereich, in dem man sich dem Ungewissen stellt, aber extrem viel lernen kann», sagt sie.
Als Bester Kinder bekam, änderte sich das Leben im Inselparadies noch einmal drastisch. Da es weder einen Kindergarten noch eine Vorschule gab, machte sich Bester dies zum Projekt. Sie fand ein Gebäude, schulte zwei Frauen aus der Umgebung als Lehrerinnen, entwarf einen Lehrplan und fördert nun die Früherziehung von 22 Kindern. Die Dorfgemeinde beschreibt Bester als kreativ, innovativ und hilfsbereit, als jemanden, der ständig versucht, das Leben für alle zu verbessern. «Sie hat eine gute Beziehung zu den Menschen im Dorf und ist sehr beliebt», sagt Ninize Mahazosoa, eine der Lehrerinnen. Dash Walczak, der mit Bester in der Lodge arbeitet, beschreibt sie als «ungemein empathisch», als jemanden, der «immer das Wohl anderer im Auge hat und leidenschaftlich und unermüdlich für die Gemeinschaft arbeitet».
Abenteuerlicher Schulweg
Auch Besters eigene Kinder besuchen die Vorschule. Ihr Schulweg ist ein Abenteuer für sich: Er führt zunächst am Strand entlang, dann durch den Regenwald und über drei Flüsse. «Die beiden ersten sind recht flach, aber beim dritten steht ihnen das Wasser manchmal bis zum Hals», lacht Bester. Da kommt der Schulranzen auf den Kopf; ein Satz trockene Kleidung ist mit eingepackt. «Meine Kinder lieben es, im Regen zu laufen, helfen, die Böden mit Kokosnüssen zu polieren, fahren nach der Schule mit den Fischermännern aufs Meer», erzählt Bester.
Ihr Lebensabenteuer hat ihr bislang hauptsächlich Bewunderung eingetragen, vielleicht auch mal einen Ticken Neid, aber wenig Kritik. «Ich bekomme eigentlich nie negative Kommentare. Die meisten können sich einfach nicht so richtig vorstellen wie das Leben hier ist», sagt sie, «doch sie finden es einfach spannend».